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Die Kunst des Denkens Teil 1: Was ist Logik, was kann sie und was nicht?

  • breinhardt1958
  • 2. Nov.
  • 5 Min. Lesezeit

Das Wort Logik hat, wie viele andere Wörter, einen altgriechischen Ursprung: λογικὴ τέχνη logikè téchnē ‚Kunst des Denkens‘. Daher auch die Überschrift für diese Beitragsserie.

Will man verstehen, was Logik ist, sollte man zuerst einmal alle falschen Vorstellungen über Bord werfen, die in den Köpfen herumspuken.

Nein, was der Kunstfigur des Mr. Spock aus Star Trek so in den Mund gelegt wurde, hat herzlich wenig mir Logik zu tun.

Auch diese neckischen Zahlen-, Buchstaben- oder Figurenreihen aus psychologischen Tests messen etwas durchaus Anzustrebendes in den Verlaufsqualitäten des Denkens, nur keine Fähigkeit zur Anwendung logischer Gesetze.

Und erst recht ist der sorglose alltagssprachliche Umgang mit den Adjektiven logisch und unlogisch nichts was uns weiterhilft. Unlogisch ist besonders bizarr, denn schließendes Denken ist immer logisch, nur eben logisch korrekt oder logisch nicht korrekt.


Werfen wir also einen Blick auf diverse Definitionen:

Thomas Zoglauer "Einführung in die formale Logik für Philosophen": "Logik ist die Lehre vom folgerichtigen Denken, Schließen und Argumentieren. Die moderne Logik versteht sich als formale Logik, der es allein um die Form der Schlüsse und nicht um ihren Inhalt geht."

Irving M. Copi "Einführung in die Formale Logik": "Logisches Denken stellt eine bestimmte Art des Denkens dar, in welchem Schlussfolgerungen vorgenommen werden, d. h. in welchem Konklusionen aus Prämissen abgeleitet werden. Der Logiker beschäftigt sich in erster Linie mit dem abgeschlossenen Denkprozess. Dabei lautet die Frage stets: Folgt die hergeleitete Konklusion aus den verwendeten oder angenommenen Prämissen? Liefern uns die Prämissen gute Gründe für die Annahme der Konklusion? Wenn die Prämissen adäquate Gründe für die Behauptung der Konklusion liefern, wenn die Bejahung der Wahrheit der Prämissen die Bejahung der Wahrheit auch der Konklusion nach sich zieht, dann ist logisches Denken korrekt. Sonst ist es nicht korrekt."

Paul Hoyningen-Huene "Formale Logik": Die Logik interessiert sich zentral für das logische Folgern (und andere verwandte Begriffe und Verfahren). Sie muß dazu nicht die involvierten Aussagen in ihrer Ganzheit betrachten, sondern nur ihre logischen Formen."

Das kann man verstehen, aber hat man es auch wirklich begriffen, verstehen und begreifen sind ja nicht identisch?


Also zurück ins 4. Jahrhundert vor Christus als ein gewisser Herr Aristoteles die Logik als eigenständige Disziplin begründete. Wir wissen natürlich nicht, was genau im Kopf des Aristoteles vorging, aber wir haben, vor allem auf Grund seiner überlieferten Werke, ausreichend Kenntnisse über ihn, um uns ein wahrscheinliches Szenario vorstellen zu können.

Aristoteles hat sich ja für nahezu alles interessiert. Heute gilt er zwar vor allem als einer der drei großen Philosophen der griechischen Antike, neben Sokrates und Platon, aber sein Werk ist erstaunlich vielfältig. Er hat über die Meteorologie geschrieben, über die Fortpflanzung der Tiere, über Poetik...

Dabei muss ihm aufgefallen sein, dass, worauf auch immer eine gedankliche Überlegung gerichtet ist, auf ein Handeln (praxis), das Verfolgen und Realisieren eines Gutes, auf ein Herstellen (poiêsis), das Hervorbringen eines von der Tätigkeit abgelösten Werkes, oder auf ein Betrachten (theôria), das intellektuelle Erfassen der wesentlichen Zusammenhänge, dies immer Denken erfordert. Und Denken kann, ich drücke es in einem logikfremden Vokabular aus, entweder erfolgreich sein oder eben nicht. Könnte es sein, dass da irgendwelche Gesetzmäßigkeiten im Spiel sind, deren Befolgung oder Nichtbefolgung eben über Erfolg und Misserfolg entscheiden?

Und dann hatte er eine Idee. Selbst wenn alle anderen seiner Werke verloren gegangen, nur die Arbeiten zur Logik erhalten wären, er würde zu Recht als einer der genialsten Menschen aller Zeiten gelten. Diese Idee war die Entdeckung der Form!


Das bedeutet, dass für die Korrektheit eines Schlusses (nicht seine Wahrheit) allein die Form verantwortlich ist, nicht der Inhalt der Aussage!

Beispiele logisch korrekter Schlüsse (der Einfachheit halber aus der heutigen Logik, das Prinzip der Form ist identisch):

Wenn es regnet, wird die Straße nass. Und es regnet. Also wird die Straße nass.

Wenn ich Hunger habe, esse ich etwas. Und ich habe Hunger. Also esse ich etwas.

Wenn ich einer politischen Partei vertraue, dann wähle ich sie. Und ich vertraue einer politischen Partei. Also wähle ich sie.

Was ist hier auffällig? Alle drei Sätze haben einen völlig unterschiedlichen Inhalt, aber eine identische Form.

Wenn p, dann q. Und p. Also q.

Oder:

P1: (p → q)

P2: p

K: q

Und diese Form ist immer logisch gültig.

Im Kern ist Logik also die Lehre von den Regeln des richtigen Schließens. Sie untersucht, wann aus bestimmten Voraussetzungen zwingend eine Schlussfolgerung folgt.

Logik ist also mächtig, weil sie Ordnung in das Denken bringt. Sie hilft, Fehlschlüsse zu vermeiden, Argumente zu prüfen und Zusammenhänge klarer zu erkennen. In der Wissenschaft ist sie unverzichtbar: Ohne logische Strukturen gäbe es keine Mathematik, keine Informatik, keine formale Philosophie. Sie ermöglicht es, komplexe Systeme zu analysieren, Hypothesen zu überprüfen und aus bekannten Fakten neue Einsichten zu gewinnen.

In der Ethik und Politik kann sie helfen, Argumente zu entwirren und Manipulation zu durchschauen. Wer logisch denkt, lässt sich weniger leicht täuschen.


Sie hat zudem nach heutigem Verständnis den Vorteil, dass sie eindeutig und nicht widerlegbar ist. 2+3=5. Basta! Wer jetzt diskutieren will: "Ich denke aber, es könnte auch 4,7 sein" - der sollte dringend den Psychiater wechseln. Ihre Gesetze gelten zudem in allen möglichen Welten, unabhängig davon, ob es dort denkende Wesen gibt, die diese Gesetze begreifen und formulieren können.

Dieser Vorteil hat aber eine zweite Seite, die niemand besser formuliert hat als Ludwig Wittgensteins "Tractatus Logico-Philosophicus", Satz 5.43:

"Alle Sätze der Logik sagen das Gleiche, nämlich nichts."

Wittgenstein meint damit, dass logische Sätze keine Tatsachen über die Welt beschreiben – sie sind tautologisch, also immer wahr, unabhängig von der Wirklichkeit.

Sie zeigen die Form aller möglichen Sätze und damit die Struktur der Welt, aber sie sagen selbst nichts über sie aus.

Angewandt auf unser Beispiel: 2+3=5, vielleicht eine neue Erkenntnis für ein Vorschulkind, aber?

Links neben dem Gleichheitszeichen steht 2+3, was ja nun einmal 5 ist. Rechts steht auch 5. Also 5=5. Welch überraschendes Resultat! Und wenn wir jetzt auch noch kürzen, kommt 0=0 heraus. Also 0. Oder eben nichts.


Ein zweites Problem der Logik:

Die Logik hat sich zwar sein 1879, als Gottlob Frege seine "Begriffsschrift. Eine der arithmetischen nachgebildete Formelsprache des reinen Denkens." veröffentlicht hat, rasant entwickelt, so dass mittlerweile viele Bereiche des menschlichen Denkens logisch analysierbar sind - aber einige eben (noch?) nicht.

Die logische Form irrealer Konditionalsätze oder konjunktivischer Sätze, die logische Form von Sätzen über Wahrscheinlichkeiten und kausale Beziehungen, die logische Rolle von Adverbien und attributiver Adjektive, Theorien über Massentermini wie „Feuer“, „Wasser“ usw., eine Theorie über Sätze des Glaubens, der Wahrnehmung, der Absicht; eine Theorie über Verben des Handelns, die eine Zwecksetzung implizieren; eine Theorie der Imperative, Optative, Fragesätze usw. (Programm von Donald Davidson 1967 „Wahrheit und Bedeutung“)


Fazit: Ein Denken ohne Logik ist chaotisch, aber ein Leben nur nach Logik ist leblos. Die Kunst besteht darin, Logik als Werkzeug zu nutzen, ohne ihr die Herrschaft zu überlassen. Sie soll helfen, klar zu denken, nicht kalt zu fühlen.

Gerade in Zeiten von Fake News, Verschwörungstheorien und emotionaler Überhitzung ist Logik wichtiger denn je – nicht um Menschen zu entmenschlichen, sondern um das Menschliche zu bewahren: den klaren, verantwortlichen Geist.

Logik ist die Grammatik des Denkens – notwendig, aber nicht hinreichend für Wahrheit. Sie zeigt, wie man richtig schließt, aber nicht, was richtig ist.

Sie ist ein Instrument der Vernunft, kein Ersatz für sie.

Wer Logik richtig versteht, weiß: Sie ist nicht das Ziel des Denkens, sondern sein Weg.


Und da sind wir wieder bei Aristoteles.

Er verstand Logik als „Organon“, d. h. als ein Werkzeug oder Instrument, das vom Kontext seines Einsatzes ganz unabhängig verfügbar ist. Sie sollte philosophische Propädeutik sein, d. h. vorbereitende Grundausbildung für alle, die Wert auf korrektes Denken legen oder z.B. aus beruflichen Gründen darauf angewiesen sind.

 
 
 

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